Leseempfehlungen für Weihnachten 2022

Gespeichert von Walthers am Mo., 28.11.2022 - 14:52
Olga Tokarczuk, Anna In, Kampa 2022, 22€

Inanna, oder Anna In, Göttin der Liebe, der Fruchtbarkeit, des Mondes, aber auch des Krieges, herrscht über das sumerische Uruk - ein mythischer, lichter Ort, wo Fahrstühle auch nach links und rechts fahren und Gärten vom Himmel hängen, ein Ort, der eher in der nahen Zukunft als in einer fernen Vergangenheit zu liegen scheint. Anna In ist schön, jung, verführerisch, aber auch ungestüm, unstet und machtbewusst. Eines Tages ruft ihre Zwillingsschwester, die Herrscherin der Unterwelt, sie zu sich. Und Anna In steigt hinab, in die Katakomben, ins dunkle Reich des Todes. Niemand ist je von dort zurückgekehrt. Welches Opfer wird AnnaIn bringen müssen, um wieder hinaufzusteigen, zu den Lebenden? Olga Tokarczuk erzählt in Frau Diesseits und Frau Jenseits einen 4000 Jahre alten Mythos auf einzigartige Weise neu. Mit viel Ironie und einer großen Portion Respektlosigkeit verbindet sie das Hohe und Erhabene mit dem Profanen, Allgemeinmenschlichen - und holt den altehrwürdigen Mythos so in unsere Gegenwart.

Einer der ältesten Menschheitsmythen in moderner Gestalt: originell, bilderreich und poetisch.

Mit einem kenntnisreichen Vorwort von der Autorin zur Göttinnen- und Götterwelt - ein magisches Buch.

 

Gusel Jachina, Wo vielleicht das Leben wartet, Aufbau 2022, 26 €

Der Roman spielt in der Sowjetunion im Jahr 1923, wo gerade eine Hungersnot herrscht.

Dejew, der Held der Geschichte, ein ehemaliger Rotarmist und Eisenbahner, erhält den Auftrag 500 elternlose Kinder mit dem Zug von Kasan nach Samarkand zu begleiten, um sie so vor dem Hungertod zu retten. Gute fünf Wochen wird der Zug unterwegs sein. Es gilt 4200 km Strecke in einem zerrütteten Land zurückzulegen, diverse Schwierigkeiten und Entbehrungen zu meistern und Abenteuer zu bestehen.

Mit viel Einfallsreichtum und Phantasie und nicht zuletzt immer wieder mit Menschlichkeit schafft es Dejew schließlich, die Kinder ins „Land der Weintrauben“ zu bringen. Trotz der schweren Thematik liest sich das Buch sehr gut und erinnert stark an einen Abenteuerroman.

 

Joachim B.Schmidt, Tell, Diogenes 2022, 23 €

Die Sage des Schweizer Helden neu erzählt bzw. modernisiert.

Anstatt der klassischen 5 Akte gibt es 10 Episoden:

Immer sind es Ich-Erzähler*innen, die die jeweiligen Geschehnisse aus ihrer Perspektive erzählen. So geben sowohl seine Mutter, seine Frau , sein Kind als auch Tell selbst direkten Einblick in Ereignisse, was dazu führt, dass die Figuren tiefschichtiger und glaubwürdiger erscheinen.

Durch die teilweise sehr kurzen Episoden ist es ein spannendes Lesevergnügen und mensch kann sich die Geschehnisse sehr gut vorstellen. Auch der Landsherr Gessler kommt zögerlich und zaudernd zu Wort. Ebenso Tell Erzfeind Harras, der dann auch für die berühmte Apfel-Szene verantwortlich ist.

Es geht dem Autor aber nicht um die politische Auseinandersetzung zwischen Landadel und Bauern wie bei Schiller, sondern um menschliche Auseinandersetzungen und Kämpfe.

 
Christoffer Carlsson, Unter dem Sturm, Rowohlt 2022, 13€

In einer kalten Novembernacht 1994 wird im kleinen südschwedischen Marbäck die Leiche einer jungen Frau gefunden. Alles weist auf ein Verbrechen hin, und ein Täter ist schnell ausgemacht: Edvard Christensson unterhielt eine Beziehung mit ihr; wie sein Vater ist er berüchtigt für einen aufbrausenden Charakter.
Edvard wird verurteilt, und der Frieden kehrt ins Dorf zurück. Nur nicht für Edvards siebenjährigen Neffen Isak, der Edvard vergöttert hat. Isak ist besessen von der Vorstellung, dass er den Keim des Bösen in sich trägt, wie sein Onkel, wie sein Großvater.
Zehn Jahre später sitzt Isak nach einem Diebstahl vor Vidar, der als junger Polizist bei der Verhaftung von Edvard half. Und je mehr Vidar sich zurückerinnert, desto größer werden seine Zweifel an den Ermittlungen damals. Und dann verschwindet Isak. Vidar macht sich auf die Suche. Nach dem Jungen und nach der Antwort auf die Frage, was in jener Novembernacht wirklich geschah.

Ein großartiges Gesellschaftsporträt erzählt in einer überzeugenden Krimihandlung

 

Ana Peyas, Sonnenseiten, Bahoe 2022, 19€

Massentourismus, Immobilienspekulation und menschliche Dramen: In Sonnenseiten versetzt uns die junge Comiczeichnerin Ana Penyas an die spanische Levante zu Beginn der 1960er Jahre, um uns die Geschichte einer Familie zu erzählen, die unter den verheerenden Folgen des Massentourismus leidet, dem wichtigsten Motor der wirtschaftlichen Entwicklung zu Francos Zeiten.

Vieles tönt Penyas in ihren warmen, mit Farbstift, Fotocollage und in Aquarell gearbeiteten Bildern nur an: die hohe Arbeitslosigkeit, die Kämpfe gegen die Gentrifizierung. Und immer wieder zeichnet sie ein Panel der gleichen Sicht aufs Meer – nur dass man das Wasser irgendwann vor lauter Hotelblocks kaum mehr sieht.

Wir hatten Ana Penyas zu Gast bei uns in der Buchhandlung und mit der Vorstellung ihres Comics hat sich noch einmal verdeutlichen können, wie sehr Kunst und eine Erzählung wunderschön zusammen zwischen zwei Buchdeckel passen.

 

Marieke ten Berge/Jesse Goosens, Unser wildes Zuhause. Tiere im hohen Norden, Aladin Verlag, 2022, 20€

Nicht nur die Landschaft im hohen Norden ist einzigartig, auch seine Bewohner sind es: Die Ringelrobbe, die Eisbären täuscht, indem sie unter Wasser Blasen aufsteigen lässt. Der Eurasische Luchs, der nach nordischer Mythologie in die Zukunft blicken kann, der singende Buckelwal und der Vielfraß, der seinem Namen alle Ehre macht. Sie alle und noch viele andere Tiere stellen sich in diesem Buch selber vor und nehmen uns mit in eine faszinierende Welt aus Eis und Schnee.

Informativ und mit tollen Zeichnungen.

 

Jens Rassmus, Pizza vom Südpol. 13 hungrige Geschichten. G&G Verlagsgesellschaft, 18€

Das Krokodil hat soeben für ein Jahr genug gegessen, als allerhand Einladungen eintrudeln. Was tun? Man will ja nicht unhöflich sein ... Eine tierische Kochgruppe hat Probleme mit Portionsgrößen, die Eisbärfamilie am Nordpol wartet ungeduldig auf die Pizzalieferung vom Südpol und die Buchstabenkinder sollen Buchstabensuppe essen. Nun ja.

Geschichten, die einfach Spaß machen – zum Vorlesen und Selbstlesen

 

Moni Port, Dürfen Zwerge Riesenrad fahren? Klett Kinderbuchverlag 2022, 12€

Moni Port und Philip Waechter haben sich wieder auf Schulhöfen und Spielplätzen umgehört und die albernsten Fragen gesammelt. Die Antworten gilt es diesmal allerdings selbst zu finden. Vielleicht ja bei diesem Spülmaschinenfest, von dem man auf jeder Brotdose liest?

Zum Lachen für groß und klein, alt und jung und für alle die mit Humor die Welt entdecken möchten.