Leseempfehlungen für Weihnachten 2023

Gespeichert von Walthers am Sa., 02.12.2023 - 12:53
Pauli Lorenz/Kathrin Schärer, Der Ort der lieben Dinge, Atlantis 2023, 18€

Dies ist eine wunderbare Geschichte über das Finden und Loslassen von Dingen:

Dachs sucht seine Trommel („suchen und finden ist nicht das gleiche“ )und stellt dabei seinen Bau auf den Kopf. Er findet viele Dinge, mit denen er schöne Erinnerungen verbindet, die er aber nicht mehr braucht, z.B seine Kinderschaukel.

Er überlegt, die Sachen an einem schönem Ort zu vergraben, da sie in seiner Höhle nur unnötig Platz wegnehmen, sammelt alles ein und macht sich auf den Weg zum „Ort der lieben Dinge“. Unterwegs trifft er auf Bär und andere Freunde und jede*r findet etwas, das sie benutzen möchten.

So kann Dachs allen eine Freude machen und die Dinge finden erneut Verwendung.

 
William Sutcliffe, Grüner wird's nicht. Der Sommer, in dem ich die Welt rettete, ars edition 2023, 15€

Übersetzt von Leena Flegler

Eine neue Flughafenlandebahn soll gebaut werden und dafür eine Hälfte des Dorfes planiert werden. Ein Szenario, dass uns schon oft begegnet ist oder zumindest bekannt vorkommt. Nun hat William Sutcliffe sich diesem Thema in seinem jüngstem Buch für Jugendliche angenommen. Dafür lässt er den 13jährigen Luke, neugierig geworden durch den Umzug seine großen Schwester in die Hippi-Kommune des Dorfes, zum Helden gegen die Dorfzerstörung werden und ganz nebenbei noch für ein bisschen Verständnis zwischen Alteingesessenen und Neuhinzugezogenen und verschiedene Lebensentwürfe werben. Der Familienkonflikt bleibt auch nicht aus und entpuppt sich als lehrreiches Kammerspiel zwischen Verantwortung und Selbsterfahrung.
Ein tolles Buch das schon Anfang des Jahres 2023 erschienen ist und wie schon "Auf der richtigen Seite" von Allen zwischen 11 und 99 Jahren gelesen werden kann.

 

Petra Sturm/Jorghi Poll, Cenzi Flendrovsky- eine Bicycle Novel, Edition Atelier 2023, 20€

Dies ist eine Biographie in Form einer Graphic Novel über Cenzi Flendrovsky, eine der ersten Radrennfahrerinnen in Österreich.

Anhand ihres kurzen Lebens wird erzählt, welche Schwierigkeiten es für Frauen zur Jahrhundertwende gab, Fahrrad fahren zu wollen, sei es privat oder professionell. So war es Frauen anfangs nicht erlaubt, professionell Fahrrad zu fahren und die damalige Damenbekleidung war auch eher unpraktisch und hinderlich. Cenzi aber war eine leidenschaftliche Radrennfahrerin und ließ sich nicht beirren. Das Buch erzählt auch , wie das Radfahren an sich um 1900 populär wurde. Es entstand damals der Wien-Berlin Fahrradweg.

 

Matz, Jörg Mailliet/Olivier Guez, Das Verschwinden des Josef Mengele, Knesebeck 2023, 25€

Übersetzt von Werner Kügler

1949: Josef Mengele gelangt per Schiff nach Buenos Aires. Unter verschiedenen Pseudonymen versteckt, glaubt der ehemalige Folterarzt von Auschwitz, er könne sich ein neues Leben erfinden. Er trifft auf ein dichtes Netzwerk weiterer Geflüchteter und andere Unterstützer, denn Peróns Argentinien ist wohlwollend und die ganze Welt will die Naziverbrechen vergessen. Doch der Mossad, Nazi-Jäger Simon Wiesenthal und auch Generalstaatsanwalt Fritz Bauer nehmen Mengeles Verfolgung wieder auf, woraufhin er über Paraguay nach Brasilien flieht. Eine rasante Verfolgungsjagd beginnt, bis Mengeles Irrfahrt nach 30 Jahren Flucht mit seinem mysteriösen Tod 1979 an einem Strand in Brasilien abrupt endet.

Der sorgfältig recherchierte Roman von Olivier Guez erfährt eine sehr gelungene graphische Umsetzung, die den nüchternen Stil umso eindringlicher wirken läßt. Ein wichtiges Buch.

 

Roman Köster, Müll - Eine schmutzige Geschichte der Menschheit. Beck Verlag 2023, 29€

Mensch und Müll – das ist eine lange und innige Beziehung. Bereits die Neandertaler haben Dinge für nutzlos befunden, aussortiert und weggeworfen. Das alte Rom kämpfte ebenso mit Müllproblemen wie die Metropolen des 19. Jahrhunderts. Doch alles verblasst hinter den Abfallbergen der Gegenwart.

Sachkundig und erhellend schreibt Roman Köster über alle Sorten von Müll und nicht Müll. Er schafft damit eine einzigartige Geschichte der Menschheit anhand von Abfall, Wiederverwertungen, sozialen Hierarchien, Kriegen und Normen. Untermalt mit Anekdoten bleibt diese Lektüre bei aller Schwere oder auch Animosität eine abwechslungsreiche Kost bei der auch das Schmunzeln nicht zu kurz kommt.

Eine besondere Empfehlung für alle, denen der Mensch noch nicht überdrüssig geworden ist. Bleibt nur die Frage, ob es als Geschenk eingepackt werden sollte oder doch die Verpackung im Sinne der Müllvermeidung gespart wird?

 

Amitav Ghosh, Der Fluch der Muskatnuss. Gleichnis für einen Planeten in Aufruhr, Matthes&Seitz 2023, 28€

Übersetzt von Sigrid Ruschmeier

Auf einer indonesischen Insel fällt eine Öllampe zu Boden, kurz danach begehen niederländische Soldaten ein Massaker an den Inselbewohnern. Wie hängen diese beiden Geschehnisse zusammen und was geschah danach? Mit dieser Frage beginnt Amitav Ghosh seine Recherche auf den Spuren der Muskatnuss. Heute alltägliches Gewürz, galt sie im 17. Jahrhundert als Luxusgut ‒ allein eine Handvoll davon reichte aus, um einen Palast zu erbauen ‒, denn die seltene Frucht wuchs nur auf jener Insel, die niederländische Truppen vornehmlich deshalb in Besitz nahmen, um das Handelsmonopol für die Niederländische Ostindien-Kompanie zu sichern. Während Amitav Ghosh die Reise der Muskatnuss nachzeichnet, veranschaulicht er eindrucksvoll die Mechanismen von Kolonialismus und Ausbeutung der Einheimischen sowie der Natur durch westliche Länder. Mitreißend stellt er dabei die Verbindung geschichtlicher Entwicklungen mit aktuellen Realitäten her, verkettet niederländische Stillleben und die Nomenklatur nach Linné mit der Black-Lives-Matter-Bewegung, der Covid-Pandemie und der Standing Rock Sioux Reservation, um zu zeigen, dass der heutige Klimawandel in einer jahrhundertealten geopolitischen Ordnung verwurzelt ist, die vom westlichen Kolonialismus und seiner mechanistischen Weltsicht – die Erde als bloßem Ressourcenlieferant für die Menschheit – geschaffen wurde.

Ein großartiges, erkenntnisreiches Buch, das Zusammenhänge aufzeigt und den Horizont erweitert.

 

Satu Rämo, Hildur-die Spur im Fjord, Heyne 2023, 16€

Übersetzt von Gabriele Schrey- Vasara

Hildur ist der Auftakt zu einer Kriminalroman-Serie:

Die Kommissarin Hildur ist spröde, eigen, lebt auf Island und geht wann immer möglich surfen im Meer. Vor 20 Jahren verschwanden ihre beiden Schwestern spurlos und seit dem prüft sie jeden Kriminalfall nach einer Verbindung , einer Spur. Hildur leitet die Einheit für vermisste Kinder und bei dem aktuellen Mordfall scheint es eine Verbindung zu geben. Eine Lawine erschütterte die Gegend, aber der unter den Schneemassen gefundenen Tote hat eine aufgeschnittener Kehle - der Auftakt zu einer Mordserie und vielen Hinweisen zu ihren vermissten Schwestern…

 

Stephen Buoro, Andy Africa, Rowohlt Verlag 2023, 24€

Übersetzt von Volker Oldenburg

Stephen Buoro erzählt in seinem funkelnden Coming of Age-Roman von den langen Schatten des Kolonialismus, von Afrofuturismus und Weltliteratur, von einer Jugend voller Hoffnungen und großem Schmerz. Und mittendrin «superhero poet» Andy, der sein Glück sucht: in der Liebe und auf seinem gefährlichen Weg nach Europa.

Der Autor wurde 1993 in Nigeria geboren. Er absolvierte ein Studium des Creative Writing an der University of East Anglia mit einem Stipendium der Booker Prize Foundation Scholarship. Gegenwärtig lebt er in Norwich. Andy Africa ist sein Romandebüt.

 

Fatou Diome, Was es braucht, das Leben zu lieben, Diogenes 2023, 24€

Übersetzt von Ina Pfitzner

Ein Boxer, den das Leben austrickst, ein Fischer ohne Fische, ein großherziger Hirte: Es sind Helden des Alltags, die diese Geschichten bevölkern. Der schüchterne Octave, die geflüchtete Samira und ein unverhoffter Schutzengel – sie alle eint die Suche nach einem erfüllten Leben in Liebe und Verbundenheit. Fatou Diome entführt uns auf eine Reise zwischen den Kulturen und Zeiten: von Paris über die französischen Alpen bis in den Senegal.

Erzählungen über das Leben, das Verbundensein, Freundschaft, mit sprachlicher Finesse und Eleganz