Buchempfehlungen Sachbuch

Gespeichert von Walthers am Mo., 06.04.2020 - 14:06

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Patrik Svensson: Das Evangelium der Aale

Übersetzung: Hanna Granz

Hanser 2020

Nie in seiner Kindheit war Patrik Svensson seinem Vater so nah wie beim Aalfischen. Als Erwachsener stellt er fest: Der Erinnerung an seinen Vater kommt er nicht auf die Spur, ohne nach dem Fisch zu suchen, der sie miteinander verband – und über den wir bis heute erstaunlich wenig wissen. Svensson entwirft eine Natur- und Kulturgeschichte der Aale, von Aristoteles und Sigmund Freud über Günter Grass bis zu Rachel Carson, und verbindet sie mit seiner persönlichen Geschichte. Auf verschlungenen Wegen wird das Rätsel des Aals zum Bild für das Leben selbst.

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Ngũgĩ wa Thiong’o: Afrika sichtbar machen. Essays über Dekolonisierung und Globalisierung.

Übersetzung: Thomas Brückner

Unrast 2019

Seit über sechzig Jahren schreibt Ngũgĩ wa Thiong’o über die Geschichten, Herausforderungen und Zukunftssaussichten Afrikas, insbesondere seines Heimatlandes Kenia. In seinem Werk, das Theaterstücke, Romane und Essays umfasst, erzählt Ngũgĩ von der Ungerechtigkeit kolonialer Gewalt und dem diktatorischen Verrat der Entkolonialisierung, vom Streben nach wirtschaftlicher Gleichheit angesichts der großen Ungleichheit und nicht zuletzt von seinem Kampf für Freiheit und die anschließende Inhaftierung.

In dem sehr persönlich und gut lesbar geschriebenen Buch geht es um Afrikas Stellung in der dekolonisierten und globalisierten Welt, um die Nachwirkungen der Sklaverei, um politische Kämpfe in einer Ära des entfesselten Kapitalismus, um die Rolle der Kulturschaffenden und Intellektuellen in afrikanischen Gesellschaften sowie um die Aussichten auf eine gerechte und friedvolle Zukunft. In einer Zeit, in der Afrika in den Diskussionen über die Globalisierung weitgehend ignoriert wird, wird Afrika sichtbar machen zur Pflichtlektüre.

Mehr Informationen zum Verlag

https://www.unrast-verlag.de/

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Lux. Gegen den Nationalsozialismus und die Lethargie der Welt. Geschrieben von Rüdiger Strempel.

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Am 3. Juli 1936 nahm sich der jüdische Journalist Stefan Lux in der laufenden Versammlung des Völkerbunds in Genf mit einem Revolver das Leben, um die Weltöffentlichkeit aus ihrer tödlichen Lethargie zu wecken und eindringlich vor dem Nationalsozialismus zu warnen.

Der Schuss in sein Herz sollte die apathische Völkergemeinschaft, die angesichts des wachsenden Terrors gegen die jüdische Bevölkerung sowie der Aufrüstung Deutschlands und die in seinen Augen drohende Kriegsgefahr wegschaute, zum Nachdenken und im besonderen Großbritannien auffordern, mit anderen Staaten eine Front gegen die Nationalsozialisten zu bilden.

In „Lux, gegen den Nationalsozialismus und die Lethargie der Welt“ erfahren wir vom Leben des 1988 im habsburgischen Vielvölkerstaat geborenen Juristen, Künstler, Dichter und Journalisten, der im ersten Weltkrieg, als Soldat verwundet, dem Tode knapp entkam.

In sich abwechselnden Kapiteln lesen wir von den unmittelbar letzten Tagen vor seinem dramatischen Selbstmord und in Rückblicken seine Lebensgeschichte. Der Autor Rüdiger Strempel hat Vieles, was sich in der Gedankenwelt von Stefan Lux abgespielt haben kann, frei erdacht und im Sinne einer spannenden Lektüre angereichert, jedoch zeugen die hier eingeflossenen Briefe, die Stefan Lux kurz vor seinem Ableben an den britischen Außenminister, Zeitungen, Freunde und seiner Frau schrieb, von einem durchaus realistischen Bild seines Gemütszustandes.

Lux, der mit seiner Frau und Sohn 1933 nach diversen Überfällen der SA von Berlin nach Prag emigriert war und früh mit den Waffen des Film, des Theaters und des Journalismus vor dem Antisemitismus der Nationalsozialisten warnte, fasste den Entschluss, sich vor dem Völkerbund zu erschießen, erst 2 Tage davor. Seinen nicht komplett ausgereiften Plan, durch eine große Aktion wie zum Beispiel in einer Rede, die anwesenden Delegierten der Nationen aufzurütteln, verwarf er aufgrund der „wohltemperierten, apathischen Atmosphäre“, „dieser Gespenstergesellschaft“ in Genf. Er versuchte mit diesem Eklat zu schocken und die Gefährlichkeit des Nationalsozialismus zum Thema zu machen.

Er wollte kein Held, kein Märtyrer sein, seine Tat war durchaus verzweifelter Natur.

Rüdiger Strempel ist es gelungen, Lux Lebensweg bis zu seiner finalen Entscheidung nachvollziehbar zu zeichnen, mit all seinen Zweifeln ob der Sinnhaftigkeit und der Liebe zu seiner Familie.

Wie uns die Geschichte gezeigt hat, war Stefan Lux nicht erfolgreich mit seinem öffentlichen Selbstmord, er konnte weder den Völkerbund noch den britischen Außenminister wachrütteln. Seine Tat wurde zwar in Teilen der internationalen Presse durchaus gewürdigt - einige dieser Artikel sind im Anhang dieses Buches zu finden - war aber leider nicht der erhoffte Knall, den er erzeugen wollte.

So gibt es auch heute noch wenig über Stefan Lux zu finden, keine Biografie, keine Denkmäler, kein Gedenken. Rüdiger Strempels umfangreichen Recherchen ist es zu verdanken, daß Stefan Lux und seine leidenschaftliche Mahnung weiterlebt. In Zeiten des wiedererstarkenden Antisemitismus und Rassismus ist die Erinnerung an diesen mutigen Widerstand auch eine Form, eine „wohltemperierte, apathische“ Gesellschaft wachzurütteln.

Strempel, Lux. Gegen den Nationalsozialismus und die Lethargie der Welt
Osburg Verlag
22,00€

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Ginette Kolinka: Rückkehr nach Birkenau - Wie ich überlebt habe
Aus dem Französischen von Nicola Denis
Aufbau Verlag, 2020
124 Seiten
18,00 €

Im März 1944 wird Ginette Kolinka zusammen mit ihrem Vater, ihrem Bruder und ihrem Neffen von Avignon nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Ginette ist die Einzige, die im Sommer 1945 nach Paris zurückkehrt. Lange hat sie über das im Lager Erlebte geschwiegen, der Weitergabe ihrer eigenen Erinnerungen aufgrund der bereits vorhandenen Schilderungen anderer Überlebender keinen besonderen Stellenwert eingeräumt, doch nun erzählt sie als eine der letzten noch lebenden ZeitzeugInnen, wie sie Auschwitz er- und überlebt hat. Und gerade dieser unprätentiöse Ansatz, dieses Sich-selbst-nicht-wichtig-Nehmen, die einfache Sprache, mit der sie sprunghaft und wertfrei selbst grausamste Facetten des Lagerlebens schildert, machen dieses Buch so eindringlich.

Dies ist gerade in der heutigen Zeit des wieder erstarkenden Antisemitismus ein wichtiges Buch, das eigentlich Jede/Jeder gelesen haben sollte. Ein Buch gegen das Vergessen!

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