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David Prudhomme, Rembetissa

Übersetzer Ulrich Pröfrock
Reprodukt 2025
25€
1936 übernimmt General Ioánnis Metaxás die Macht in Griechenland und errichtet eine Diktatur. Lieder, die die orientalische Tonleiter verwenden, die Rembetika, gelten fortan als subversiv und sind verboten. Die Polizei verwüstet Tavernen, zerstört Instrumente und bricht Rembetes die Finger, die trotz Verbot weiterhin ihre Musik machen. Katina ist Wirtin eines Rembetiko-Cafés und wie die Musiker selbst vor die Wahl gestellt: Entweder sie ist bereit, ihr Repertoire zu ändern, oder sie wird arbeitslos.
Nach dem 2010 erschienenen Band „Rembetiko“ liegt nun die Fortsetzung vor, in der der Fokus auf den Perspektiven der Frauen liegt.
Der Rembetiko entstand im Griechenland der 1920er Jahre, seine Themen sind jenen des Tango und des Fado verwandt. Gelegentlich wird er griechischer Blues genannt. Getanzt wird er mit geschlossenen Augen, wie hypnotisiert. Die Tanzenden erheben sich wie von einer fremden Kraft gezogen, drehen sich langsam um sich selbst, jeder Wendung er Musik folgend. Diese Musik trägt eine starke Verbundenheit von Orient und Okzident, der Schmerz des Exils, des Scheiterns aber auch der Humor ist zu hören.
Die von David Prudhomme erzählten und exzellent illustrierten Geschichten sind fiktiv, enthalten jedoch Entlehnungen an tatsächliche Rembetes.
Ellen Heck, A wie Biene. Ein ABC mit tierisch guten Übersetzungen

Illustratorin Ellen Heck
Carlsen Verlag 2025
15€
A wie Biene, B wie Affe, C wie Papagei
Irgendwas klingt hier komisch … oder?
Wenn Deutsch deine Muttersprache ist, dann stimmt dieses ABC für dich nicht. In anderen Sprachen ist es aber richtig.
A wie Biene könnte beispielsweise in der Türkei gesagt werden, denn dort ist das Wort für Biene „arı“. Affe heißt auf Hausa „biri“ und sauf Nahuatl heoßt der Papagei „cochotl“. Jede Seite ist einem anderen Tier gewidmet und es finden sich insgesamt 68 Sprachen in diesem wunderbar illustrierten Buch, das zum gemeinsamen Lesen einlädt.
Für alle ab 5 Jahren
Lena Frölander-Ulf, Wilma Wildpelz - Ein Murmeltier gibt niemals auf

Illustratorin Lena Frölander-Ulf
Übersetzerin Friederike Buchinger
Thienemann Verlag 2025
15€
Das Murmeltiermädchen Wilma lebt mit ihrer Familie auf einem Steinfeld am Waldrand - nicht ganz ungefährlich, denn in direkter Nachbarschaft befindet sich das Gebiet der bösen Schlangen. Wilmas bester Freund ist Knolle und immer an ihrer Seite. Doch als Wilma die junge Kreuzotter Zickzack kennenlernt, hat er Zweifel, ob es eine gute Idee ist, sich mit einer Schlange anzufreunden. Aber Wilma vertraut auf das Gute - und soll Recht behalten.
Für alle ab 5 bis 99 Jahre.
Sophia Klink, Kurilensee

Frankfurter Verlagsanstalt 2025
24€
Jeden Sommer verbringt die Biologin Anna auf der russischen Forschungsstation am Kurilensee, einem Kratersee mitten in der Wildnis Kamtschatkas. Sie nimmt Wasserproben, zählt Lachse und Phytoplankton. Der Klimawandel bedroht die Fischbestände des Sees, der wirtschaftlich eine große Bedeutung für die Lachsfischerei hat, einem Wirtschaftszweig, der mehr und mehr in Bedrängnis kommt, da die natürlichen Wachstumspopulationen rückgängig und der Überfischung ausgesetzt sind, und die Tiere empfindlichst auf die Einwirkungen des Menschen reagieren. Jeder in der Station hat eine fixe Aufgabe und als Ganzes steht die Aufgabe in diesem Sommer, eine wissenschaftliche Grundlage dafür zu schaffen, ob mit einer Phosphatdüngung das aus dem Gleichgewicht kippende Ökosystem des Lachssees aufgehalten werden kann, oder ob der Eingriff von fünf Tonnen künstlicher Düngung nicht der Anfang vom Ende ist, ein nicht wieder gut zu machender Eingriff mit unvorhersehbaren Konsequenzen. Die Autorin ist promovierte Biologin und Lyrikerin, die verständlich wissenschaftliche Vermittlung mit einem faszinierenden Blick auf die Natur und deren Zusammenhänge mit sprachlichen Können verbindet. Absolut empfehlenswert.
Gaele Faye, Jacaranda

Übersetzerinnen: Andrea Alvermann und Brigitte Groß
Piper 2025
24€
Der französisch-ruandische Schriftsteller Gael Faye wurde für diesen neuen Roman für den Prix Goncourt, den wichtigsten Literaturpreis Frankreichs, nominiert.
Milan, Kind eines französischen Vaters und einer ruandischen Mutter, wächst in Versailles auf. Von seiner Mutter erfährt er nahezu nichts über deren Herkunftsland. Erst als Claude, ein Verwandter aus Ruanda auftaucht, um bei ihnen zu wohnen, wird er zum ersten Mal damit konfrontiert. Er mag Claude sehr und betrachtet diesen als seinen kleinen Bruder. Doch genau so plötzlich wie der Junge nach Frankreich kam, so plötzlich verschwindet er wieder. Auch diesmal wie üblich: keine Erklärungen seitens seiner Eltern.
Erst als junger Mann kommt Milan zum ersten Mal nach Ruanda, er lernt dort seine Großmutter kennen, so wie eine Tante, die sich als Anwältin für Menschenrechte einsetzt und deren Tochter Stella, die – aus anderen Gründen – ebenfalls unter dem Schweigen ihrer Mutter leidet. Zu seiner großen Freude findet er auch seinen „kleinen Bruder“ wieder.
Milan freundet sich mit Claude an, gemeinsam besuchen sie immer wieder „Sartre“, einen Mann, der Waisenkinder, die durch den Völkermord an den Tutsis dazu wurden, bei sich aufnimmt. Gemeinsam lesen sie, diskutieren sie, hören Musik und feiern. Bis eines Tages Sartres Image stark ins Wanken gerät.
Was hat es mit dem Titel gebenden Jacaranda auf sich? Stella, die Tochter seiner Tante, bricht vollkommen zusammen, als der Jacarandabaum in ihrem Garten gefällt werden soll. Warum wohl? Welche tiefere Bedeutung hatte dieser Baum?
Milans Forschen nach seiner eigenen Familiengeschichte führt tief in die Traumata der ruandischen Geschichte und zeigt sehr berührend auf, dass die Vergangenheit noch lange nicht vergangen ist, nur weil sie lange her ist.
Ein starker Roman, der sowohl in historischer, politischer wie auch psychologischer Hinsicht erhellend ist und der sich zudem sehr gut liest.
Lea Ypi, Aufrecht – Leben im Zeitalter der Extreme

Übersetzerin Eva Bonné
Suhrkamp Verlag 2025
28€
Lea Ypi, Professorin für politische Theorie in London, die sicher vielen schon von ihrem sehr lesenswerten „Frei“ bekannt sein dürfte, erzählt in ihrer neuen Veröffentlichung vom Leben ihrer Großeltern, besonders von ihrer Großmutter Leman.
Leman kommt aus einer alten osmanischen Beamtenfamilie aus Saloniki, ihre Familie gehört einer albanischen Minderheit in Griechenland an, die sich durch die politischen Wirren gezwungen sieht, Griechenland zu verlassen. Sie zieht nach Tirana und freundet sich mit ihrem späteren Mann Asllan Ypi an, beide sind politisch interessiert und bewegen sich in Zirkeln, die miteinander diskutieren, streiten, Bücher lesen und versuchen eine bessere Welt zu erschaffen. Einer der Kommilitonen Asslans ist Enver Hodscha, von dem Leman in erster Linie seinen ekligen Geruch nach Zwiebeln und Rauch erinnert, doch diese Bekanntschaft wird die Familie nicht schützen vor den Nachstellungen, als Hodscha an der Macht ist. Es handelt sich um eine weitverzweigte Familiengeschichte, die sich über Ländergrenzen hinweg (Türkei, Griechenland, Frankreich, Schweiz, Deutschland und Albanien) zieht und deren politischen, geschichtlichen, kulturellen wie auch sozialen Hintergründen mindestens ebenso im Mittelpunkt stehen wie die Geschichte der Ypis.
Der Autorin gelingt ein spannungsreiches Memoir, das ausgeht von einer Recherche: Lea Ypi sieht sich durch ein Foto ihrer Großeltern aus dem Jahr 1941, das diese bei einer Sommerfrische im Italien der Mussolinizeit zeigt, dazu herausgefordert, herauszufinden was damals wirklich los war. So geht sie nach Albanien, forscht in alten Akten, spricht mit Verwandten, liest Geschichtsbücher, erinnert sich an die eigenen Gespräche mit ihrer Großmutter, als sie selbst noch ein Kind war. Sie lässt uns an dieser detailreichen, immer interessanten Recherche teilhaben. Diese multiethnische Welt, diese Zeit als so vieles noch offen war, diese Hoffnungen auf ein gutes Leben, aber auch die Brutalitäten, Grausamkeiten und Enttäuschungen die die Weltpolitik, der fast schon international zu nennende Faschismus werden durch den Fokus auf eine Familie sehr anschaulich erzählt. Ein sowohl spannende Familiengeschichte wie auch ein lehrreiches Geschichtsbuch!